Übermässiger Strassenlärm im Baselbiet

Text zuerst erschienen im VCS-Magazin Ausgabe März 2018
Das Umweltschutzgesetz verlangt, dass an Orten, wo der Strassenlärm die sogenannten Immissionsgrenzwerte tagsüber und/oder nachts überschreitet, Lärmschutzmassnahmen an der Quelle zu ergreifen sind. Bis Ende März 2018 sollten alle betroffenen Strassen lärmsaniert sein. Davon ist die Schweiz und auch das Baselbiet weit entfernt. Es herrscht ein eigentlicher Vollzugsnotstand: Das Gesetz ist klar, die Umsetzung wird von der Baselbieter Regierung seit Jahren fahrlässig verschleppt.
Strassenlärm macht nachweislich krank. Besonders schädlich ist Lärm auch für die Konzentrations-, Lern- und Leistungsfähigkeit gerade bei Kindern und Jugendlichen. Das schmälert ihren Schulerfolg und damit die Berufsaussichten. Die volkswirtschaftlichen Kosten des Verkehrslärms (Gesundheitskosten, Wertverlust der lärmexponierten Immobilien) sind enorm. Der Bund schätzt sie auf jährlich 1.9 Milliarden Franken. Davon entfallen 1.55 Milliarden Franken auf den Strassenlärm.
31 Jahre Zeit doch auch mit Tricks nicht am Ziel
Die Pflicht zur Lärmsanierung von Strassen besteht seit 1987 und hätte bis 2002 erfüllt sein müssen. Der Bund verschob diese Frist jedoch um 16 Jahre auf Ende März 2018. Seit einem Monat sollten auch im Baselbiet sämtliche Strassen lärmsaniert sein. Dazu dient beispielsweise ein Flüsterbelag oder eine Temporeduktion. Der Kanton rühmt sich, bei der Strassenlärmsanierung einer der «am weitesten fortgeschrittenen Kantone» zu sein. Von den 186 betroffenen Strassenkilometern seien 163 saniert, nur mit den restlichen 23 Kilometern sei man in Verzug. Doch der Verdacht erhärtet sich, dass auf den bereits ‹sanierten› Kilometern vorwiegend sogenannte ‹Papiersanierungen› erfolgten, also keine tatsächliche Lärmreduktion. Der Kanton hat sich «Erleichterungen» zugestanden, wie er in seiner Antwort auf meine Interpellation schreibt. Dies sind Ausnahmebewilligungen, die dem Kanton erlauben, trotz überschrittener Immissionsgrenzwerten keine Massnahmen zu treffen, falls diese unverhältnismässig sind. Entlang solcher Strassenabschnitte bleiben die Anwohnenden weiterhin übermässigem Lärm ausgesetzt. Erleichtert ist nur der Kanton. Denn die Pflicht zur Finanzierung von Lärmschutzfenstern besteht erst bei überschrittenem Alarmgrenzwert. Das Bundesgericht hat jedoch 2016 entschieden, dass Erleichterungen «ultima ratio» sind und Temporeduktionen durchaus verhältnismässig sein können. Der Kanton Baselland hat aber bis anhin kein einziges Mal Tempo 30 als Lärmschutzmassnahme verfügt. Zur Rechtfertigung dient ihm unter anderem die Behauptung, damit würde zu wenig Lärmreduktion erreicht. Auch diese Ausrede ist gemäss Bundesgericht nicht haltbar. Ausserdem hat der Kanton ein untaugliches Lärmberechnungsmodell verwendet.
Das kann teuer werden
Anwohnerinnen und Anwohner von lärmigen Strassen, welche bis Ende März 2018 nicht saniert wurden, können den Kanton auf Schadenersatz verklagen. Das kann ihn siebenstellige Beträge kosten. Personen, die an der A22 oder A18 wohnen beklagen sich seit Jahren wegen des unzumutbaren Lärms. Diese Autobahnen gehen 2020 vom Kanton an den Bund. Die Sanierungsfrist für die Bundesstrassen endete aber schon 2015… Die Bevölkerung leidet unter dem Lärm, Bund und Kantone schauen dabei zu. Ein Unding!
Jan Kirchmayr, Landrat SP, Aesch

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